<RPG>
#Ort: Offiziersmesse
#Zeit: MD 7.1400
Seo Yeon konnte ihr Leben noch immer nicht ganz begreifen. Vor wenigen Tagen war sie noch eine Grim Guardian, die gegen die Invasoren der Föderation gekämpft hatte, dann ein Flüchtling an Bord der Star of Orion und dann eine Verbrecherin - und jetzt? Jetzt arbeitete sie für die Sternenflotte und gegen die Guardians, und sie fühlte sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Was nicht zuletzt daran lag, dass sie ihre Freundin Aleida wiedergefunden hatte. Und dass ihre gemeinsame Freundschaft jetzt sehr viel tiefer ging. Auch wenn die Argentinierin, anders als sie selbst, immer noch den Status einer Gefangenen führte. Doch Seo Yeon war zuversichtlich, dass auch das nur noch eine Frage der Zeit war.
Zugegebenermaßen, nicht alle aus der Sternenflotte standen ihr positiv gegenüber. Genauer gesagt waren es eher die wenigsten. Zu viel Schlechtes war in den letzten Tagen geschehen, das viele auch ihr anlasteten. Dazu gehörten vor allem die Gräueltaten, an denen sie nicht beteiligt gewesen war, und die sie verhindert hätte, hätte sie es gekonnt. Doch nicht alle sahen in ihr ein Monster und das Beispiel der CO färbte zumindest auf die Führungsebene ab.
Da half es auch nichts, dass sie keine Sternenflottenuniform trug, sondern die gleiche Art Feldanzug wie Aleida ihn bekommen hatte. Commodore Lyma hatte sich zwar nicht dazu geäußert, was sie genau war, außer einem "Intelligence Asset", aber die vielen Sitzungen mit den Analysten der Sicherheit, die sie inzwischen gehabt hatte, waren ein eindeutiges Zeichen.
Nach mehreren Stunden mit denen fühlte sie sich regelmäßig geistig ausgelaugt wie nach einem hundert Kilometer Marsch. Mit schwerem Gepäck.
Zum Glück musste sie dieses intensive Debriefing nicht täglich durchmachen und in der Zeit dazwischen hatte sie Gelegenheit, durch die Station zu streifen oder mit Aleida zu reden. Die Argentinierin war das einzig positive, das ihr ihre Zeit bei den Grim Guardians beschieden hatte, aber Aleida hatte ihre Ideale einfach noch nicht aufgeben mögen.
Jetzt betrat sie gerade die Offiziersmesse der Station auf der Suche nach etwas zu essen. Auch so ein Sternenflottending, wie sie fand, das gewöhnungsbedürftig war. Die Flotte sorgte nicht nur für die Zivilisten an Bord, sondern auch für ihre eigenen Leute. Bei den Guardians war jeder selber dafür zuständig gewesen, sich mit den Grundbedürfnissen des Lebens zu versorgen. Egal ob es Essen, Kleidung oder Wohnraum war. Etwas, was hier auf der Station zumindest gründlich in die Hose gegangen war.
Jetzt hatte sie alles. Sogar die Kleidung war in Ordnung. Das, was sie jetzt trug, war zwar nicht mehr leuchtfarben und 5 Nummern zu groß, dennoch fiel sie damit immer noch sehr auf, wie ihr die finsteren Blicke, die man ihr zuwarf, deutlich machten. Naja, Sif, die seltsame junge Frau mit den merkwürdig uralten Augen, hatte ihr allerdings versprochen, sie zum Einkaufen mitzunehmen, zusammen mit ihrer Freundin Caitlyn. Nur wie sie das alles bezahlen sollte, war ihr völlig unklar. Zum Einen hatte ihr Red ja ihr fast ihr komplettes Geld abgenommen, aber die Sternenflotte hatte ihren APADD konfisziert und damit hatte sie eh keine Möglichkeit mehr, an den bescheidenen Rest heranzukommen.
Sifs Ankündigung hatte seltsamerweise bei der CO zu einem resignierten Seufzer geführt. Und dann hatte sie sie sowas wie "Besser als mit Mara." gemurmelt.
Die junge Caitlyn war auch so eine Überraschung gewesen. Die Commodore hatte das Mädchen zu ihrer persönlichen Assistentin gemacht. Oder Bürobotin. Oder was auch immer. Und das, nachdem die Kleine nach eigener Aussage tatsächlich versucht hatte, die Commodore zu bestehlen! Seo konnte diese Kommandantin nicht richtig einschätzen, und das machte ihr Angst. Sie war einerseits faszinierend unkonventionell, aber dann auch wieder geradezu borniert. Es war fast so, als ob sie von irgendetwas getrieben würde.
Mit grummelnden Magen steuerte sie die Essensausgabe an und ließ sich eine Portion des Gerichts des Tages geben, als sie plötzlich einen roten Haarschopf sah, den sie überall wiedererkennen würde. Da, mit einem Tablett in der Hand einen leeren Tisch im Eck des Speisesaales ansteuernd, war Red!
Sie war anders gekleidet als damals, als sie sie zum letzten Mal gesehen hatte. Nicht mehr so extravagant, aber trotz des nabelfreien Trägershirts und der Cargopants waren ihre abgeliebten Stiefel und vor allem ihre beiden Waffen an den Oberschenkeln unverwechselbar. Und natürlich die kupferrote Haarpracht, die sie zu einem schlampigen Pony gebunden hatte.
Seo Yeon sah sich um, ob sie vielleicht auch Maggie irgendwo erblicken würde, als ihr etwas aufging: Was hatte Red in der Offiziersmesse zu suchen? Und warum war sie hier und nicht schon längst abgehauen, da sie ja offensichtlich wieder frei war? Hatte sie sich irgendwie einen Dienstausweis für die Station ergaunert? Seo Yeon traute der jungen Frau inzwischen so einiges zu.
Neugierig steuerte sie den Tísch an, an den Red sich inzwischen gesetzt hatte.
"Red!", rief sie ihr dann entgegen, als sie nur noch ein paar Schritte weg war.
Mara sah auf und lachte.
"Seo! Was machst du hier?"
"Essen." stellte die trocken fest als sie ihr Menü gegenüber von Mara abstellte. Und bemerkte, dass Mara eine sehr viel exklusivere Speise gewählt hatte. Doch das störte Seo nicht. Sie mochte einfache Sachen. Aber es passte zu Red. Wenn sie nur alleine an diese wahnsinnige Inneneinrichtung des Raumschiffes dachte.
"Viel spannender ist aber die Frage, was du hier machst.
Ganz abgesehen von der Tatsache, dass das hier die Offiziersmesse ist, hätte ich gedacht dass du und Maggie auf dem schnellsten Weg das Weite gesucht habt. Wie seid ihr überhaupt frei gekommen? Und wo ist Maggie?"
Mara seufzte und lächelte. Seo Yeon musterte ihr Gegenüber, suchte instinktiv nach Zeichen von Misshandlung und blieb dann mit dem Blick am Sternenflottenkommunikator hängen, den Red über dem Herzen trug.
Ihre Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie die Bedeutung erkannte.
Sternenflotte! Red musste Sternenflotte sein!
"Du... Du bist Sternenflotte?... Hat sie... euch etwa auch angeworben? Oder dienstverpflichtet?"
Mara lächelte amüsiert.
"Sie? Sky? Nein, angeworben wurde ich schon vor vielen Jahren."
Sie hielt ihre Hand über den Tisch, die Seo reflexartig nahm und schüttelte.
"Gestatten? Lieutenant Mara Jade, leitende taktische Offizierin der USB Midgard.”
Seo fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Was... wurde hier denn gespielt? War das alles etwa eine Falle gewesen?
"Lieutenant? Und... Du bist nicht Red? Und Maggie? Ist sie auch Sternenflotte?"
"Oh, ich bin so Red wie Maggie Maggie ist." meinte Mara locker.
"Sie ist übrigens aber auch Commander Yvonne Renard, die XO. Skys rechte Hand, sozusagen."
Seos Gedankengänge kamen zu einem abrupten Halt.
"Aber... eine leitende Offizierin... und eine XO..? Das sind doch keine... man macht doch keinen Neuling... Ihr seid immer schon Flotte gewesen? Schon länger? Aber warum? Und wie wusstet ihr, dass ich kommen würde, um ein Schiff zu suchen? Und war deshalb auch kein anderes da? Ist das alles eine großangelegte Falle für mich gewesen?"
Mara hob abwehrend beide Hände.
"Halt. Was immer du denkst, so war es nicht. Absolut nicht.
Schau, wir sind einfach nur viel zu früh hier an Bord gewesen. Früher als Sky. Und da haben wir einfach beschlossen, schon mal als Zivilisten an Bord zu gehen, um ein Gefühl für diese Station zu bekommen. Tatsächlich waren wir eigentlich gerade dabei abzufliegen, weil uns Katie erwischt hatte als du plötzlich vor mir standst."
Seos Gedanken waren noch immer verwirrt. Katie... das war dieser Kettenhund der Kommandantin. Nur was hatte die damit zu tun? Aber konnte es denn wirklich sein, dass sie in ihrer Ahnungslosigkeit die XO und die TAK der Station angeheuert hatte, um ihr bei ihrer Flucht zu helfen? Ja, dann war es natürlich kein großes Wunder, dass sie gefangen worden war!
Sie sah auf ihr abgestelltes Tablett, wo das Essen langsam vor sich hin dampfte und wollte wütend sein, sich verraten und verkauft fühlen. Red - Lieutenant Jade - anschreien.
Aber sie tat es nicht.
Mit unerwarteter Klarheit erkannte sie, dass, hätte sie ein anderes Schiff gefunden, sie nicht hier sitzen würde. Das es nicht gekommen wäre, wie es gekommen ist... Dass sie noch immer für die Guardians arbeiten würde - und jede Sekunde davon hassen. Und dass Aleida dann hier alleine in einer Zelle säße, von allen verlassen.
Trotzdem war: "Und mein Geld?" das Erste, was sie herausbrachte.
Mara lachte so laut, dass sich die Leute an den umliegenden Tischen zu ihr umdrehten.
"Welches Geld?" wollte sie dann unschuldig wissen.
"Das, das ich dir überwiesen habe! Für den Flug!"
"Die Chartergebühr? Die ist weg. Non refundable. Aber es war ja Geld der Guardians, nicht deines."
Seo starrte sie einfach mit offenem Mund an.
"Willst du nicht essen bevor es ganz kalt ist?" teaste Mara sie.
Um Zeit zu gewinnen tat sie genau das. Aber obwohl das Essen hier, wie üblich, sehr gut war, schmeckte sie nichts davon. Ihre Gedanken rasten im Kreis.
War Red, nein, Mara jetzt ihre Vorgesetzte? Warum trug sie keine Uniform wie alle anderen? Erst jetzt sah sie die Pins, die sie über dem Kommunikator am Ausschnitt des Shirts trug. Und sie nannte ihre Commander einfach Sky?
"Das meinte sie also." sagte sie als sie sich an die abschließenden Worte ihres ersten Gesprächs mit der CO erinnerte
"Hmmm?"
"Die Commodore. Sie sagte, es war eure Fürsprache, die sie überhaupt dazu veranlasst hatte, mit mir zu sprechen anstelle mich einfach vor Gericht stellen zu lassen. Das mich wegen Beihilfe zum Mord verurteilt hätte."
Doch Mara zuckte mit den Schultern. "Süße, deine Reaktionen waren so geschockt und echt überzeugend, da war uns völlig klar, dass du völlig entsetzt und abgestoßen gewesen bist. Und du hast uns selbst gesagt, dass du gerne raus willst, aber wegen deinen Eltern nicht kannst. Wir haben nur unsere Eindrücke weitergegeben."
//Süße? Hat sie mich Süße genannt?!// schoss es ihr als erstes durch den Kopf, ehe sie den Rest des Satzes registrierte.
"Es war so offensichtlich?"
"Es war so offensichtlich." bestätigte Mara.
Seo Yeon nickte langsam. "Und... ja. Es ist auch wahr. Ich... will meine Eltern da raus haben. Nicht, weil ich damit erpressbar wäre. Das wäre ich nicht, aber ich würde mich ewig grämen, wenn wegen meines... äh... Wechsels... ja, deswegen meinen Eltern etwas Schlimmes widerfährt."
"Sky hat dir doch versprochen, deine Eltern da raus zu holen, oder?"
"Ja schon, aber .... "
"Kein Aber, Süße. Wir reden hier von Sky. Ich kenne sie seit ich unter zehn war, so ungefähr, und sie hat noch nie ein Wort gebrochen. Noch nie."
Oh... "Woher kennt ihr euch?"
"Von zu Hause. Sie war dort früher für die Sicherheit zuständig, ich habe gerne...", sie schwieg für einen Augenblick, "dabei zugesehen, wie Dinge ihren Weg in die Freiheit fanden."
Seo musste ernsthaft über Maras sperrige Formulierung nachdenken.
"Du hast geklaut?" übersetzte sie dann.
Mara lächelte nur hintergründig und schwieg.
Dann erinnerte sich Seo Yeon an ihre Unterhaltung an Bord der Star of Orion, oder CAT, wie sie jetzt wusste.
"Dein Schiff? Das ist auch...?"
"Nein. CAT ist meine. Das würde Sky nie durchgehen lassen."
"Du magst Sky, nicht wahr?"
"Wir kommen von verschiedenen Hintergründen, aber ja, du hast recht. Ich mag Sky. Sie ist eine echte Freundin. Und davon habe ich nicht viele."
Das wunderte Seo Yeon ein wenig. "Wie ist sie denn so?"
"Sky?" Mara überlegte eine Sekunde. "Gefährlich. Eiskalt. Angsteinflößend. Außergewöhnlich. Ich habe erlebt, wie sie buchstäblich über Leichen ging, um zu bekommen, was sie will. Du willst sie sicher nicht verärgern."
Mara schüttelte den Kopf heftig. "Auf keinen Fall! Sie war auf Sylene die Kommandantin einer der COUs, bevor sie zur Sternenflotte ging. Das sind die wirklich großen Kampfschiffe der Hegemonie. Sie war diejenige, die immer die heißen Kartoffeln bekommen hat, und sie hat sie jedesmal aus dem Feuer geholt, sozusagen. Sie ist das Monster in der Nacht, vor dem dich deine Eltern gewarnt haben.
Wenn sie dich aber mag? Dann kannst du dich glücklich schätzen. Sie ist wie ich, vom Leben zynisch geworden, und sie hat wenig Freunde. Wenn sie dich also an sich heran lässt... Du kannst keine bessere an deiner Seite haben."
Seo Yeon dachte darüber nach. Gefährlich? Kalt? Über Leichen gehend? Das waren eigentlich keine Eigenschaften, die sie an einer Freundin schätzen würde. Dennoch schien die Commodore ihr vertrauenswürdig.
"Aber warum dann ich?"
"Keine Ahnung?" Mara sah Seo Yeon intensiv an.
"Vielleicht weil sie in dir etwas erkennt, das ihr ähnlich ist? Vielleicht weil du nur die richtige Handlung zum richtigen Zeitpunkt getan hast? Vielleicht eiskaltes Kalkül? Vielleicht weil sie dich als verlorene Seele sieht? Sie hat eine Begabung dafür, verlorene Seelen zu finden. Aber so gut ich sie auch kenne, das ist etwas, das du sie selber fragen musst."
Sie nahm den letzten Bissen ihres Nachtisches.
"Und du? Wie hast du dich eingelebt in der kurzen Zeit?"
Diesen harten Sprung musste Seo Yeon erst einmal verarbeiten. Also löffelte sie etwas ihres Chillies, das sie jetzt erst so langsam wahrzunehmen begann. Es war wirklich sehr gut. Und sie nickte Mara zu.
Erst als sie die letzten Reste des Chillies mit dem Brot aus der Schale herausgewischt und verdrückt hatte, stellte sie fest, dass sie dieses Gratisessen hier in der Messe inzwischen schon als Selbstverständlichkeit wahrnahm. Und musste sich über sich selbst wundern.
Dann lächelte sie leicht.
"Ich habe mich noch nicht eingelebt. So vieles ist mir noch so fremd. Allein die Unterkunft für mich. Das Essen hier. Sogar die Kleidung." Seo Yeon hatte sich, so wie Aleida es auch getan hatte, einen kleinen roten Stern über die rechte Brusttasche geheftet. Für sie war es weniger die politische Bedeutung als ein Zeichen für sich selbst wie auch für ihre Freundin. Ein Zeichen von Solidarität und Zusammenhalt. Sie wusste, dass sie beide es brauchten, dieses Gefühl.
"Die Arbeit ist sehr anstrengend. Aber auch erfüllend. Und es ist schön zu erfahren, dass man anderen noch etwas beibringen kann. Und dass das nicht nur ist, wie man andere Leute am besten umbringen kann."
"Arbeit? Was machst du?"
"Eigentlich nicht so viel. Com... Sky hat mich zu ihren Nachrichtenleuten geschickt. Zwei sehr nette, aber etwas unimaginative Leute. Ich soll ihnen zeigen, wie ich meine Nachrichten und vor allem meine Daten üblicherweise verschlüssele. Hard- und softwaremäßig. Solche Sachen. Sie fragen mir Löcher in den Bauch."
“Das,” erklärte Mara mit einem breiten, von Ohr zu Ohr gehenden Lächeln, “würde mich auch interessieren.”
Seo Yeon berichtete und schien es irgendwie zu genießen zu erzählen. Und Mara fragte sich, ob an der Koreanerin eine Lehrerin verloren gegangen war. Sie konnte gut beschreiben und erklären und sie hatte eine angenehme Art von Selbstsicherheit oder Selbstbewusstsein. Nicht so, wie der typische Army-Ausbilder. Mehr so, wie eben eine Lehrerin an einer höheren Schule.
Beide Frauen waren vertieft in das Gespräch und achteten dabei nicht weiter auf ihre Umgebung. Immerhin war das hier ja auch die Offiziersmesse. So bemerkten sie auch nicht, wie von einem Nachbartisch, an dem acht Leute der Stationssicherheit saßen, einer der Männer aufstand und sein Tablett mit den Worten "Mir ist der Appetit vergangen!" anhob. Seine Äußerung wurde von seinen Kameraden mit gewichtigen Nicken und leise gemurmelten Zustimmungsäußerungen begleitet.
Der Mann war so Ende zwanzig und humpelte leicht. Sein Gesicht war eigentlich recht attraktiv, zeigte aber an der rechten Gesichtshälfte das typische Rosa frisch regenerierter Haut. Außerdem trug er, wie seine Kameraden an dem Tisch eine dünne schwarze Binde um den rechten Oberarm. Sein Gesicht strahlte allerdings Verbitterung aus.
Der Mann ging dicht an dem Tisch vorbei, an dem Mara und Seo Yeon saßen. Zu dicht. Und kurz bevor er an der Koreanerin vorbei kam zuckte er zusammen, stieß ein lautes "Oh!" aus und kippte sein Tablett so dass die Terrine heißer Kürbissuppe darauf kippte und sich der Inhalt ziemlich treffsicher über Seo Yeons Kopf und Schultern ergoss.
"아야! 젠장, 이게 뭐야!" fluchte Seo Yeon laut.
(kor: Aya! Jenjang, ige mwoya! = Auuh! Verdammt, was soll das!)
Sie wollte aufspringen, doch der Mann stand da immer noch und sah ihr direkt in das Gesicht. Und Seo Yeon erkannte Hass und Verbitterung, wenn sie ihn sah. Statt also aufspringen, ließ sie sich seitwärts vom Stuhl kippen und rollte herum, ehe sie sich dann vorsichtig erhob, bereit, sich zu verteidigen, wenn es nötig wäre. Die heiße Suppe brannte allerdings wie Feuer auf ihrer Haut.
Mara hingegen war mit solcher Heftigkeit aufgesprungen, dass ihr breiter Sessel mit lautem Krachen an die Wand hinter ihr knallte. Ehe der Sicherheitsmann wirklich auf die heiße Rothaarige reagieren konnte, war sie einen Schritt zur Seite getreten, brachte ihren Tisch zwischen sich und den Mann sowie den Tisch mit seinen Kollegen und hatte ihre Railgun in der Hand.
Im Raum war es schlagartig totenstill geworden und aller Augen richteten sich auf das sich entwickelnde Drama.
Der Sicherheitsmann setzte ein etwas schräges Lächeln auf und hob beide Hände, die Handflächen nach außen. "Tschuldigung!" meinte er an Mara gerichtet. "War nicht bös gemeint. Mir war nur ganz plötzlich schlecht geworden." Dabei blickte er vielsagend auf Seo Yeon, die sich inzwischen aufgerichtet hatte und heiße Kürbisstückchen aus ihrem Haar pflückte und auf ihr Tablett legte. Ihr Gesicht war nass, aber ihr Gesichtsausdruck ließ klar erkennen, dass sie genau verstanden hatte, was gerade passiert war.
Die anderen Sicherheitsleute waren inzwischen auch aufgestanden und bildeten eine Art Front, hielten aber weiterhin Sicherheitsabstand. Ein anderer Offizier dagegen hatte sich erhoben und fragte laut: "Soll ich die Sicherheit kontaktieren?"
Mara hatte zwar nicht Skylas Fähigkeit die gefühlte Raumtemperatur auf Minusgrade fallen zu lassen und Eisblumen auf die Wände zu zaubern, aber ihr Blick war deshalb nicht weniger furchteinflößend als sie den Initiator des Dramas aufspießen schien.
Ehe sie noch auf die Frage Antworten konnte, meinte einer der Spalier stehenden laut: "Nicht nötig, wir sind schon da!"
"Ich denke," ihre Stimme klang wie Gletschereis das sich über Felsen schob, und war auch keinen deut wärmer, "dass ihr Freund sich gerade glaubhaft dafür entschuldigen wollte eine Bereicherung des Teams mit einem Schlächter zu vergleichen."
Dabei hielt sie immer noch ihre Kanone in der Hand.
"Be... reicherung?" Der Mann spuckte das Wort förmlich aus und auch durch seine Freunde ging ein unwilliges Gemurmel.
"Nicht nötig!" meinte Seo Yeon, auch wenn ihr Gesicht anderes ausdrückte.
"Du hältst dich da raus!", blaffte Mara die Koreanerin an, die tatsächlich erschrocken aufhörte zu beschwichtigen.
Seo Yeon klappte ihren Mund zu.
Mara wandte sich wieder an den Mann. "Und Sie sind..?"
"Stocksauer!" erwiderte der. "Und Sie?"
"Wenn Sie es darauf anlegen, bin ich Ihr zum Leben erwachter Alptraum!" gab Mara zurück. Dann deutete sie auf Seo Yeon. "Und wissen Sie, wer sie ist?"
"Ich habe eine ziemlich klare Vorstellung, ja!" Der Mann verschränkte beide Arme vor der Brust und reckte das Kinn, an dem nur auf der einen Seite ein paar Bartstoppelchen zu erkennen waren.
"So? Dann lassen Sie doch mal etwas von Ihrem profunden Wissen hören." forderte Mara, inzwischen wieder leiser, aber nicht weniger schneidend in der Tonlage.
Jetzt deutete der Mann auf Seo Yeon. "Diese... Frau ist eine von denen. Den Guardians. Sie hat zusammen mit ihren Spießgesellen Angst und Schrecken verbreitet. Feuer und Blut. Sie ist... ein Killer. Und sowas lassen sie hier frei rumlaufen? Und hier essen?
Sorry. Das... geht einfach nicht. Und ja, mir ist speiübel geworden. Tut mir leid!"
Maras Augen waren kleine Schlitze, als sie erwiderte:
"Mir wird übel, wenn ich solche Worte höre!
Mister... wie viele Leute haben Sie in Ihrem miserablen kleinen Leben bislang gerettet?"
Das unwillige Gebrummel wurde lauter. Füße scharrten auf dem Boden.
Der Mann zuckte mit den Schultern. "Was soll das?" fragte er zurück.
"Wie - viele?"
"Sechs... Zehn... keine Ahnung."
"Was zehn? Tausend?"
"Was soll diese dumme Fragerei?" entfuhr es ihm jetzt. Das wurde langsam zu dumm.
Mara deutete wieder mit ausgestrecktem Arm auf Seo Yeon. "Diese Frau da hat zehn... Millionen Leben gerettet. Vielleicht sogar noch viel mehr. Das wird niemand je genau sagen können.
Ja, sie war eine Grim Guardian. Und ja, sie war bei dem Angriff auf die Station dabei. Aber sie hat niemanden getötet und niemanden verletzt. Aber sie hat freiwillig und ohne Zwang die Seiten gewechselt, als sie erkannte, was hier wirklich los war. Und sie hat mit ihren Wissen dafür gesorgt, dass eine Waffe... eine Massenvernichtungswaffe gefunden und gesichert werden konnte, die in den Händen der Guardians eine Katastrophe ausgelöst hätte. Sie hat diese Waffe in unsere Hände gegeben. Weil sie uns vertraut.
Jetzt frage ich mich aber gerade, ob wir dieses Vertrauen auch wert sind. Sie, Mister, scheinen da Zweifel in mir auszulösen."
Mara fuhr mit der Fußspitze unter ihren umgefallenen Stuhl und mit einer schnellen Bewegung katapultierte sie ihn in ihre freie Hand und stellte ihn wieder aufrecht hin, ehe sie sich setzte und die Waffe demonstrativ wegsteckte.
Dann musterte sie den Mann.
"Ich frage sie jetzt noch einmal. Name und Dienstgrad."
"Und wer bitte sind Sie, wenn ich das mal so höflich fragen darf?"
Der Mann war zwar deutlich stiller geworden und hatte seine so gekonnt zur Schau gestellte Abneigung komplett zurückgefahren, war aber nicht bereit, für eine offenbar verirrte Zivilistin - auch wenn sie eine ziemlich dramatische Artillerie mit sich herum trug - den Hampelmann zu machen.
"Ich habe zuerst gefragt."
Der Mann kniff seine Augen zusammen. Maras schneidende Stimme drang jetzt doch so langsam zu ihm durch und er schaute sie zum ersten Mal bewusst an. Und sah neben dem Kommunikator auch die Pins eines Lieutenants.
Reichlich verwirrt runzelte er die Stirn. Dann zuckte er die Schultern.
"Okay. Chief Petty Officer Masson. Stationssicherheit. Bravo-Schicht.
Und, sorry, Lieutenant, mit Verlaub, darf ich fragen, wer Sie sind? In... dieser Kluft?"
"Gewöhnen Sie sich an meinen Anblick." Mara musterte ihn immer noch kalt, wie ein Specimen, das sie auf den Objektträger eines Mikroskops legen sollte: "Ich bin Mara Jade.”
Der Mann nickte sehr deutlich. "Ach so. Ja, dann ist ja alles klar."
Er nahm Haltung an, salutierte so deutlich wie auf einem Exerzierplatz und nickte ihr dann zu. "Lieutenant Jade, Ma'am, hiermit erbitte ich Erlaubnis, ihre Tischnachbarin um Verzeihung für meine Handlungsweise zu bitten, Ma'am."
Seine Stimme klang forsch, doch irgendwie hatte Mara den Eindruck, als ob das nicht so ganz hundertprozentig ehrlich gemeint war!
"Na also, geht doch!" antworte Mara, in einem Tonfall, der genau zum Ausdruck brachte, dass sie wusste, von ihm verarscht zu werden. Sie musterte ihn.
"Zumindest haben Sie bewiesen, warum Sie CPO sind." Ihr Nachsatz troff regelrecht vor Sarkasmus. Dann sah sie zu Seo Yeon, die noch immer mit offenem Mund dastand.
"Willst du das?"
"Ich will keinen Streit." meinte die Koreanerin, deren Wut inzwischen verraucht und einer gewissen Depression gewichen war. Aber dann aus Maras Mund so deutlich gehört zu haben, was diese über sie dachte... und diese Meinung auch offen gegenüber ihren eigenen Kameraden vertrat, das war schon sehr schön gewesen zu hören.
Sie sah CPO Masson an. "Sie konnten das nicht wissen, Sir. Ich sehe..." sie deutete auf die Armbinde "dass Sie Kameraden verloren haben. Ich... mir tut das sehr leid. Bitte glauben Sie mir, dass ich ihre Ansicht gegenüber diesen... Angreifer teile. Auch wenn das jetzt vielleicht seltsam klingt. Aber mein Team hatte eine völlig andere, friedliche, Aufgabe."
Masson biss die Zähne aufeinander, doch dann nickte er. "In Ordnung." sagte er. Dann wandte er sich an Mara. "Sorry, Lieutenant." Und dieses eine Wort klang ehrlicher als der ganze Satz zuvor.
Die nickte. "Wenn sie das nächste Mal ihren Vorurteilen freien Lauf lassen, versichern sie sich, dass sie die Richtige damit treffen. Wegtreten!"
Und zu Seo gewandt: "Komm, wir legen dich trocken und besorgen was Neues zum Anziehen."
Während die zwei Frauen den Speisesaal verließen boxte einer von Massons Kumpanen ihn in den Oberarm.
“Du wußtest nicht wer das ist?”
Der schüttelte den Kopf.
<nrpg: Friddi? Die Sicherheit ist dein Bier, irgendwie. Kannst da was draus machen? ;) >
</RPG>
<SUM>
#Ort: Offiziersmesse
#Zeit: MD 7.1400
Seo Yeon Trifft beim Essen auf Red und stellt fest das Red eigentlich Mara Jade ist. Dann gibt es eine Auseinandersetzung mit einem unzufriedenen Sicherheitsmitarbeiter
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Some say the world will end in fire,
Some say in ice.
From what I’ve tasted of desire
I hold with those who favor fire.
But if it had to perish twice,
I think I know enough of hate
To say that for destruction ice
Is also great
And would suffice.
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Commodore Skyla Lyma
CO USB Midgard
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......visit Sylene, where hell truly freezes over........